Kürzlich wurde «Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV» veröffentlicht und damit eine Reihe beunruhigender Fakten über die Arbeitsplatzkultur bei Nickelodeon zwischen den 1990er- und 2010er-Jahren enthüllt. Es ist die Zeit, während der Megaproduzent Dan Schneider an der Macht war und Hit-Serien wie «iCarly», «Zoey 101», «The Amanda Show» und «Drake & Josh» produzierte.
Es ist nicht das erste Mal, dass Schneider vorgeworfen wird, andere missbraucht zu haben. 2018 trennte sich Nickelodeon von Schneider, nachdem Untersuchungen ergeben hatten, dass er am Set verbal ausfällig geworden war. Beweise für sexuelles Fehlverhalten wurden damals keine gefunden. Schneider wies damals alle Anschuldigungen zurück.
Die Vorwürfe, die in der neuen Dokumentation ans Licht kommen, sind aber schwer zurückzuweisen. Etliche ehemalige Nickelodeon-Kinderstars, darunter auch Drake Bell, erzählen vor der Kamera von dem ganzen Trauma, welches sie als Kinder während der Dreharbeiten erfahren haben.
Aber auch Angestellte, hauptsächlich die einzigen zwei Frauen, die als Autorinnen an «The Amanda Show» arbeiteten, erzählen von den unangebrachten und anzüglichen Sprüchen, die Dan Schneider ihnen gegenüber fallen liess.
Anfangs war alles relativ harmlos. Schneider wird als der Typ Mann beschrieben, der viele Witze machte und für eine gute Atmosphäre am Set sorgte. Das kippte aber bald. Seine Witze und Sprüche waren unangebracht – gegenüber Erwachsenen und Kindern – und er suchte oft die Nähe zu einem seiner Lieblingsstars: Amanda Bynes. Damals war sie der Star von «The Amanda Show».
Die Nähe zwischen Schneider und Bynes war allen ein Dorn im Auge. Die Dokumentation zeigt Aufnahmen, wie sie gemeinsam im Whirlpool sitzen, sich umarmen und viel Zeit miteinander verbringen – er machte sie zum Star.
Im Alter von 16 Jahren wollte Bynes unabhängiger sein, geriet aber in Streitigkeiten mit ihren Eltern. Die Person, zu der sie sich wandte, war Schneider. Hier ist nicht klar, was vorgefallen ist. Klar ist aber, dass zu einem Zeitpunkt die Polizei involviert war.
Nach dem Aussetzer mit Bynes ging Schneider zurück zu Nickelodeon. Die nahmen ihn mit Handkuss, denn er war verantwortlich für mehrere ihrer Hit-Shows. Schneider legte «All That» neu auf. Viele der Stars äussern sich in der Doku und erzählen von Schneiders unangemessenem Verhalten und vom Rassismus, den Schneider an den Tag legte.
Schneider nutzte seine Macht schamlos aus. Wer nicht machte, was er sagte, wurde gefeuert.
Viele der Kinderstars litten später unter Alkohol-/Drogenproblemen und berichten über Probleme mit ihrer psychischen Gesundheit.
Dann, in der dritten Episode, kommt Schauspieler Drake Bell zu Wort. Bei seiner Geschichte geht es weniger um Dan Schneider und mehr um Brian Peck, seinen Gesprächscoach, mit dem er während seiner Zeit bei «The Amanda Show» arbeitete.
Peck manipulierte Bell, den Kontakt zu seinem Vater (der damals auch sein Manager war) abzubrechen, und mischte sich selbst in mehrere Aspekte von Bells Leben ein. Bell erzählt, dass Peck es schaffte, seine Mutter zu überreden, dass er zwischen Castings bei ihm übernachten durfte.
«Ich schlief auf der Couch, auf der ich normalerweise schlafe, und wachte auf – ich öffnete meine Augen und er vergriff sich sexuell an mir», beschrieb Bell den ersten Missbrauch.
Damals war er 15.
Seine Mutter merkte, dass etwas nicht stimmte, als Peck immer öfter bei ihnen zu Hause anrief. Schliesslich erzählte ihr Bell alles, und sie rief die Polizei.
«Die Ermittlungen waren ziemlich brutal», erzählt Bell. «Ich musste fremden Leute sehr detailliert über jede einzelne Sache berichten. Das Schlimmste war, dass ich Brian anrufen und ihn dazu bringen musste, zu gestehen, was er getan hat.»
Peck wurde 2004 wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und musste sich als Sexualstraftäter registrieren.
In der finalen Episode von «Quiet on Set» wird auch darauf eingegangen, dass Bell später selbst wegen unangemessenen Nachrichten, die er an eine Minderjährige schickte, angeklagt wurde. 2021 wurde er zu zwei Jahren Bewährung und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Die Doku geht aber noch weiter. Ein anderer Mann, der für Nickelodeon arbeitete, war Jason Handy. Er war Produktionsassistent bei «All That» und «The Amanda Show», bei Letzterem spielte auch die elfjährige Brandi mit.
«Uns Eltern waren nicht erlaubt, am Set dabei zu sein», erzählt Brandis Mutter MJ in der Doku. Doch das habe sie zuerst nicht weiter beunruhigt, denn Handy war auch gegenüber den Eltern sehr zuvorkommend und eine Person, mit der sich jeder gut verstand.
Doch MJs Sichtweise änderte sich schlagartig, als ihre Tochter ihr erzählte, dass Handy ihr eine E-Mail mit einem Nacktfoto von sich schickte:
Brandi war nicht sein einziges Opfer. Handy wurde im April 2003 verhaftet, nachdem die Strafverfolgungsbehörden einen Hinweis erhalten hatten. In der Doku heisst es, dass die Polizei bei der Durchsuchung seiner Wohnung mehr als 10'000 Bilder von Kindern und mehr als 1700 Bilder von jungen Mädchen in erotischen Posen sowie sieben Videos von Kindern bei sexuellen Handlungen gefunden hat.
2004 wurde Handy zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
Ezel Channel, ein weiterer Nickelodeon-Mitarbeiter, wurde wegen Missbrauchs an einem Minderjährigen verurteilt. Channel brachte einen minderjährigen Jungen auf das Firmengelände und missbrauchte ihn dort. Er war bereits ein registrierter Sexualstraftäter, durfte aber trotzdem bei Nickelodeon arbeiten. Auf Channel wird in der Doku nicht gross eingegangen, es wird aber erwähnt, dass Nickelodeon in derselben Zeit drei Kinderschänder beschäftigte.
«In den vergangenen Tagen war es sehr schwierig, zu sehen, wie ich mich in der Vergangenheit verhalten habe», sagt Schneider in einem Video-Interview. «Ich muss mich definitiv bei ein paar Leuten entschuldigen.» Und weiter: «Was ich gemacht habe, war falsch und ich würde das heute nicht mehr machen. Es ist mir peinlich und ich entschuldige mich bei allen, die ich in eine unangenehme Situation gebracht habe.»
Er verteidigt aber den Humor in seinen Sendungen, die von einigen als unangebracht für Kinder angesehen werden: «Die Witze wurden für ein Kinderpublikum geschrieben, gerade weil nur Kinder sie lustig fanden.» Wenn diese Leute jetzt, 20 Jahre später, durch eine Erwachsenen-Linse zurückschauen würden, sei es klar, dass sie die Witze nicht mehr angebracht finden, so Schneider. Er hat aber keine Probleme damit, Sachen oder gar ganze Sendungen zu streichen:
«Ich möchte, dass meine Serien allen gefallen. Wenn es also etwas in einer Show gibt, das gestrichen werden muss, weil es jemanden verärgert, dann streichen wir es.»
In der Schweiz ist die Doku momentan auf keinem Streaming-Dienst zu finden. Auf Dailymotion findest du aber alle vier Folgen.
In eine unangenehme Situation gebracht? Ein solches Verhalten so zu Benennen, zeugt bei mir nicht nach viel Einsicht.
Und das dann noch ein verurteilter Sexualstraftäter welcher sich an einer Minderjährigen vergriffen hat, für einen Kindersender mit Kindern arbeiten darf, da bin ich nur noch sprachlos, pfui Teufel …